[ Fadi Madi ]
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Am Ende siegt (noch) der Rechtsstaat

Mein Mann, Fadi Madi, ist nach mehr als 4 ½ Jahren wieder zurück in Deutschland. Es hat vier Entscheidungen bedurft und eines weiteren Kampfes mit der Ausländerbehörde, bis es endlich soweit war.

In den Gerichten gibt es noch die Einhaltung der rechtsstaatlichen, demokratischen Grundordnung, die bestimmte Politiker aber bereits Stück für Stück beseitigen. Wenn die richterlichen Entscheidungen nicht in das Bild des gewünschten Überwachungsstaates passen, dann werden die Gesetze eben geändert. Aber bis es soweit ist, können Menschen, die unschuldig in die Rasterfahndung der Behörden geraten, Gott sei Dank, noch mit einer Rechtsprechung rechnen, die hart kämpft, um wenigstens ein Stück Rechtsstaat zu erhalten.

Fadi Madi wurde ausgewiesen, weil er in Berlin einen Kongress abhalten wollte, der dem Dialog dienen sollte. Inhalt war der Kampf gegen Kriege und Unterdrückung. Allein die Benutzung des Wortes „Kampf“ hat aber schon ausgereicht, um ihn zu diffamieren und als Unterstützer terroristischer Gruppen hinzustellen.

Der damalige Innenminister Schilly hat über die Medien abgetastet, wie er damit umgehen soll, da er vom Simon Wiesenthal Center aufgefordert wurde, den Kongress zu verbieten. Ohne dass man sich informiert hätte, über Inhalt, Motivation und die Personen, die hier für Menschlichkeit und Freiheit sich einsetzen. Dies hatte lediglich im Vorfeld der Verfassungsschutz getan und war eigentlich zu der Überzeugung gelangt, dass es sich um eine harmlose Veranstaltung handelt. Da man den Kongress nicht verbieten konnte, so ohne weiteres, hat man Fadi Madi an der Wiedereinreise in die BRD gehindert, als er zu einem kurzen Besuch in Beirut war. Man hat ihm die Einreise verweigert, mit der Begründung, er habe kein gültiges Visum. Dieses hat man ihm aber erst später am Tag nach einer Befragung entzogen. Angeblich wegen der Inhalte in der Befragung. Die Begründung war aber bereits vorgefertigt. Er durfte auch keinen Anwalt zu Rate ziehen und wurde behandelt wie ein Tier. Nein, Tiere werden besser behandelt.

Man wollte ihn zwingen eine Erklärung zu unterzeichnen, wonach er nie wieder etwas gegen die Unterdrückung in Palästina sagen würde oder gegen die amerikanische Regierung. Nur durch die Berichterstattung der Medien und den dort fehlenden Widerspruch gegen rechtswidrige Handlungen des Herrn Schilly war dies so alles möglich. Wo ist die Verantwortung der Medien? Wo die Recherche? In der Heute Sendung am 17.9.2004 habe ich erfahren, dass mein Mann ausgewiesen wurde durch den Gutmenschen Kleber, der es für völlig in Ordnung fand, dass trotz anderslautender Gesetze jemand einfach so abgeschoben wurde, weil er sich politisch betätigt. Den Sarkasmus in der Meldung werde ich in meinem Leben nicht mehr vergessen, als er „verkündete“, dass der Rechtsstaat sich durchgesetzt habe, gegen eine Gruppe von Menschen, die einen Kongress veranstalten wollten, der lapidar als Islamistenkongress abgestempelt wurde.

Am nächsten Tag schon hat der BGH entschieden, dass gegen meinen Mann nichts vorlag, sodass noch nicht einmal seine Sachen durchsucht werden durften – sein Computer war allerdings 14 Tage verschwunden. Diese Sachen, die mein Mann noch nicht einmal mitnehmen durfte, als man ihn ausgewiesen hat. Keinerlei persönliche Sachen, Kleidung, Papiere, nichts.

In einem ersten Verfahren gegen die Ausländerbehörde Berlin – der Verhandlungstermin war immerhin schon 2 Jahre nach dem Geschehen angesetzt – wurde mir die Entscheidung überlassen, die Klage zurückzunehmen und dafür eine Bestätigung der Behörde zu erhalten, dass nichts gegen die Wiedereinreise meines Mannes sprechen würde (was hatte sich seit dem Entzug des Visums geändert???), oder man würde durch sämtliche Instanzen gehen und ich würde meinen Mann auf viele Jahre nicht mehr sehen.

Nach Antragstellung auf ein neues Visum –obwohl das alte rechtswidrig entzogen wurde – stellte sich heraus, dass ein Einreiseverweigerungsvermerk im Polizeicomputer war und damit weiterhin eine Wiedereinreise nicht möglich war. Obwohl bei der richtigen Behörde angefragt, wurde von dort ein Versteckspiel über ein Jahr gespielt, wonach man nachfragen müsse, von wem das stamme und ob der Vermerk aufgehoben werden könne. Erst nach einem Jahr konnte ich erfahren, dass diese Behörde, Bundespolizei, selbst diesen Vermerk eingetragen hatte. Erstaunlicherweise wurde dieser zum Zeitpunkt des Prozesses vor dem Verwaltungsgericht von drei unabhängigen Stellen nicht im Computer entdeckt. Erst als die Ausländerbehörde Berlin ihren Vermerk löschen musste. Wer könnte dabei etwas Böses vermuten?

Zwischenzeitlich wurde auch der Prozess um das Kongressverbot gewonnen. Dieses Verbot war rechtswidrig. Der Ordnung halber sei gesagt, dass die Behörde in Berlin hier in Berufung gehen will, aber die Entscheidung noch aussteht. Die Gerichte sind einfach völlig überfordert mit Prozessen ähnlicher Natur, wobei die Berliner Behörden regelmäßig unterliegen und die Gerichte beschäftigen. Eben solange, bis die Gesetze zu ihren Gunsten geändert sind. Ganz zu schweigen von den Kosten, die hier entstehen.

Im vorerst letzten 4.Verfahren wurde nunmehr die Rechtswidrigkeit des Einreiseverweigerungsvermerks festgestellt, nachdem die Bundespolizei bereits nach Klageerhebung und einer weiteren Verzögerung von Monaten den Einreiseverweigerungsvermerk einfach gestrichen hat. Dies obwohl er im September 2007 aus präventivpolizeilichen Gründen erst verlängert wurde nach langer Prüfung. Der Verfassungsschutz musste mitteilen, was in der Akte meines Mannes steht, da die Einreiseverweigerung auf Grund der dortigen Erkenntnisse erlassen wurde. Hier stellte sich heraus, dass sich mein Mann zu Schulden kommen ließ, dass er einen Kongress plante. Weiter Kontakt zu Globalisierungsgegnern hat und auch, dass seine Einladung zum Kongress, die jederzeit in vollem Umfang öffentlich einsehbar war, auch auf einer Website antiimperialistischer Gruppen, die vom Verfassungsschutz als „linksextrem“ eingestuft werden, erschien. Es ist also jedem anzuraten, sich an den Verfassungsschutz zu wenden und nachzufragen, ob und mit wem man Kontakt haben darf in diesem unserem demokratischen Rechtsstaat, in dem die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass ich bereits frühzeitig Kontakt zum Staatsschutz hatte und von diesem befragt wurde bezüglich des Kongresses und es keinerlei Geheimnisse hier gab. Mein Mann hatte auch nichts zu verheimlichen. Auch als Herr Schily behauptete, dass man von dem Kongress vorher nichts gewusst habe – obwohl der Kongress bereits ein halbes Jahr vorher durchleuchtet wurde – wurde ich befragt. Ich war immer der Meinung, da wir nichts zu verheimlichen haben, kann man mit diesen Behörden einen Dialog führen, insbesondere auch, weil ich gemerkt habe, dass diese Beamten, obwohl sie teilweise seit Jahrzehnten mit dem Islam zu tun haben, von Wissen völlig frei sind. Ich dachte, es würde nichts schaden, wenn man Fragen zum Islam und zu allgemeingültigen Problemen beantwortet. Weiter hatte ich im Vorfeld festgestellt, dass sich im Umfeld dieses Kongresses Personen aufhielten, die tatsächlich keine guten Absichten hatten und nachweislich Meinungen vertreten, die rechtswidrig sind. Diese Personen blieben aber unbehelligt und sind es auch heute noch, da sie offensichtlich von den Behörden gegen Muslime benutzt werden. Man sagte mir damals sogar, wenn ich etwas gegen diese Personen sage, begebe ich mich in Lebensgefahr. Dies war aber eher der Versuch des Staatsschutzes, mich davon abzuhalten, mit den Medien zu sprechen.

Aus meiner früheren Tätigkeit in der Öffentlichkeitsarbeit der Moscheen, insbesondere des Zentralrats der Muslime, wusste ich wie wichtig Dialog ist, und ich habe versucht, Konzepte aufzuzeigen, wie ein fairer Dialog stattfinden kann und wie sich Staats- und Verfassungsschützer ein wirkliches, offenes Bild machen können, und nicht über fragwürdige Spitzel in den Moscheen ihre Informationen beziehen. Ich musste aber leider feststellen, dass dies gar nicht gewünscht ist. Dass die Arbeitsweise dieser Behörden so auf Spitzeldienste eingestellt ist, dass man gar nicht weiß, wie man anders miteinander umgehen kann. Dies zeigt auch ein Arbeitspapier für Beamte, wie sie sich bei einem Moscheebesuch verhalten sollen.

Ich kann durch meine Erfahrung leider nur davor warnen, zu offenherzig mit diesen Beamten zu sprechen, zumindest nicht ohne Zeugen und Tonbandaufzeichnungen. Im Falle meines Mannes wurden gemachte Aussagen so verdreht, dass daraus dieser ganze Fall erst entstanden ist. Man hat immer wieder versucht, meine Gespräche so hinzudrehen, als hätte ich meinen Mann bezichtigt, etwas Unrechtes zu tun. Ein Beamter des Staatsschutzes hat mir auch zu verstehen gegeben, dass man einfach Akten füllen müsse um den Wünschen des Innenministeriums zu entsprechen. Dialog ist nötig und wichtig, aber seid um Gottes Willen vorsichtig, auch nur einem dieser Leute zu vertrauen. Leider muss ich dies sagen.

Ich möchte allen Muslimen danken, die für meinen Mann und mich in dieser Zeit gebetet haben. Ich bin auch denen nicht böse, die den Kontakt zu mir abgebrochen haben, aus Angst irgendwie in eine Sache hineingezogen zu werden, gerade wenn sie selbst als Ausländer mit dieser Angst leben, dass ihnen etwas ähnliches passiert. Dem Zentralrat der Muslime gebe ich den guten Rat, nicht in seinem vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Behörden Menschen zu diffamieren und sich von ihnen zu distanzieren, ohne die Betroffenen überhaupt zu kennen und zu wissen, um was es geht. So ist es damals passiert.

Den Brüdern und Schwestern vom Muslimmarkt möchte ich ganz besonders für den persönlichen Beistand danken. Sie wissen, wie es ist, immer wieder falsch beschuldigt zu und diffamiert zu werden, für nichts und wieder nichts. Sie leisten viel Aufklärungsarbeit und was wären die Behörden ohne die tägliche Lektüre der Rundmails.Mein Interview mit dem Muslimmarkt stand immerhin schon 2 Tage später in der Akte meines Mannes.

Der Staatsschützer hat mich nach der Abschiebung gefragt, was man hätte anders machen müssen und ich habe ihm geantwortet: Einfach mit meinem Mann reden. Dem hat er überrascht zugestimmt und gemeint, auf die Idee sei man gar nicht gekommen.

Es sei noch gesagt, dass mein Mann durch diese 4 ½ Jahre große Schäden davongetragen hat, aber wir beide nie unseren Glauben verloren haben. Wir werden auch weiterhin gegen Unterdrückung und für die Menschenrechte kämpfen und können Gott nur täglich danken für seine Führung.

Rabia Madi, Stuttgart, im Juni 2008

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